Wolfgang Bok
Wo die persönliche Freiheit endet, Inflation gedeiht und das Bündnis des Grauens regiert
In der Kolumne „Nüchtern betrachtet“ macht Dr. Wolfgang Bok einen simplen Vorschlag zur Corona-Krise und richtet den Blick auf folgenschwere Veränderungen, die kaum beachtet werden:
Ungeimpfte sollten für ihre Ignoranz haften
Mit Risiko geht es auch ohne Corona-Hysterie
Wie EZB und Berlin die Turbo-Inflation schüren
Die Ampel erklärt die Familie ein Auslaufmodell
Und ein Bündnis des Grauens regiert Berlin
Von Dr. Wolfgang Bok
Schlag nach bei Kant. Dem deutschen Philosophen gebührt schon deshalb stete Beachtung, weil er auch praktische Ratschläge parat hat. „Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit der Anderen beginnt“, soll er sinngemäß gemahnt haben. Es kann also nicht sein, dass beispielsweise einem Schwerverletzten die dringend notwendige medizinische Intensivversorgung versagt wird, nur weil das teure Bett von einem übergewichtigen Impfverweigerer belegt ist, der vielleicht nicht einmal nennenswert Beiträge in die Sozialkassen entrichtet hat. Für diese Triage brauchen wir keine Ethikkommissionen, es genügt der gesunde Menschenverstand - oder eben Immanuel Kant. Wer diese Selektion für zu drastisch hält, dem empfehle ich, sich selbst oder einen nahen Verwandten gedanklich in die Lage des schuldlos Schwerverletzten zu versetzen.
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Mit diesem Verfahren erübrigt sich dann auch die Debatte über eine generelle Impfpflicht. Wer sich und erst andere nicht schützen will, soll sich im Notfall ganz hinten anstellen. Oder sich ansonsten ein Refugium suchen, in dem er/sie die individuelle Freiheit nicht auf Kosten anderer ausleben kann. Alle ernstzunehmenden Daten kommen zu dem einhelligen Ergebnis: Ungeimpfte sich die maßgeblichen Infektionstreiber, Impfen schützt (wenn auch nur für einige Monate), und mögliche Nebenwirkungen sind im Verhältnis zu den Pandemierisiken und -kosten vernachlässigbar. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht richtig entschieden und Freiheitsbeschränkungen als Gefahrenabwehr gebilligt.
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Natürlich kann man auf Schweden oder die Schweiz verweisen, wo die Regierungen den eher liberalen Weg gegangen ist. Schweizern und Schweden wurden relativ wenige Einschränkungen zugemutet - und doch sind beide Länder ökonomisch gut aus der Corona-Krise gekommen, ohne dass die gesundheitlichen Schäden größer gewesen wären. Nur: Die Eidgenossen sind auch bereit, Risiken in Kauf zu nehmen. Dort wurden, wie in dieser Kolumne früh ausgeführt, die Kosten von Lockdowns mit der möglicherweise gewonnenen Lebens-Mehr-Zeit gegengerechnet. Wir hingegen tun so, als ginge es um Leben oder Tod. Dabei geht es allenfalls um Lebensjahre oder Monate. Auch in „normalen“ Zeiten sterben in Deutschland jeden Tag etwa 2600 Menschen. Ob es durch Corona tatsächlich zu einer höheren Mortalität kommt oder die Todesursachen nur verschoben werden - darüber gibt es kaum Erkenntnisse. Stattdessen schwanken wir von einem Extrem ins andere: Noch im Sommer wurde die Freiheit für alle gefordert und Warner wie Lauterbach oder Drosten als Apokalyptiker gescholten (auch von mir!). Heute wird das Staatsversagen beklagt, weil eben diesen Warnungen nicht gefolgt wurde. Und warum? Weil es keine Partei mit den Impfgegnern und Corona-Skeptikern verderben wollte. Auch das gehört zur Wahrheit.
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Die auch von den Medien geschürte Hysterie kommt den Regierenden nicht ungelegen. Sie lenkt von anderen Themen ab. Etwa der grassierenden Inflation, der höchsten seit 29 Jahren, die einer kalten Enteignung vor allem der Kleinsparer gleichkommt. Wie fadenscheinig die Behauptung ist, der Preisschub sei vor allem durch steigende Energiekosten verursacht, belegt ein Blick in die Schweiz: Dort liegt die Inflation aktuelle mit 0,5 Prozent bei einem Zehntel unseres Wertes. Für 2022 prognostiziert die Schweizer Nationalbank mäßige 0,7 und für 2023 nur 0,6 Prozent Inflation. Doch die Schweiz hat sich eben nicht einer EZB unterworfen, die aktiv Staatsfinanzierung betreibt und damit den Euro zur Weichwährung werden lässt. Dafür zahlen die Konsumenten in Deutschland seit 1998 um 41 Prozent mehr für Waren, derweil die Preise in der Schweiz nur um elf Prozent zugelegt haben. Trotz oder gerade wegen ihrer Hartwährung sind die Schweizer Unternehmen konkurrenzfähiger als die deutschen - und das Land rangiert international stets im Spitzenfeld. Deutschland rutscht hingegen beständig ab.
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Aber darüber wird bei uns kaum berichtet. Im Gegenteil: Die Absicht von SPD, Grüne und FDP, noch mehr Kompetenzen und Geld nach Brüssel schieben, wird medial wohlwollend begleitet: Der Nationalstaat soll in einem europäischen Bundesstaat aufgehen (oder genauer: untergehen). Dort haben dann die ewigen Schuldenmacher wie Frankreich, Italien oder Spanien das Sagen. Ein konservativer Block, der von Warschau bis Paris reicht, dürfte im EU-Parlament Gewicht gewinnen. Die Klugen und Reichen bringen ihr Geld bereits in Sicherheit. Auch deshalb verliert der Euro gegenüber Franken und US-Dollar deutlich an Wert. Derweil sorgt in Deutschland der wuchernde öffentliche Dienst mit Sonderprämien für sich. Gezahlt wird unabhängig von der tatsächlichen Leistung, also wohl auch noch für Beamte im Ruhestand. Derweil die Partei-Stiftungen ihre Polit-Rentner mit üppigen Gehältern versorgen und auf die Mahnungen des Rechnungshofes pfeifen. Hier könnte das Bundesverfassungsgericht mal seine Unabhängigkeit von der Politik demonstrieren - und der Selbstbedienung ein Ende setzen.
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Die Ampel erklärt nicht nur den Verbrennungsmotor zum Auslaufmodell, sondern auch die klassische Familie. Ihre größte Sorge gilt offenbar Transgender-Personen, die sich ihr Geschlecht künftig frei aussuchen und eine Umwandlung der Krankenkasse in Rechnung stellen können. Dafür müssen Mediziner nun noch Gendermedizin lernen. Natürlich muss man auch nicht mehr verheiratet sein, um minderjährige Kinder zu adoptieren. Die Ehe ist nur noch eine Option. Dafür werden Alleinerziehenden mit viel Fürsorge bedacht. So sieht der Koalitionsvertrag vor, dass Single-Frauen ein recht auf (bezahlte?) Samenspende haben, um dann Anspruch auf allerhand Sonderzahlungen zu haben - bis hin zur Haushaltshilfe. Dafür will die neue Regierung Gutscheine über 2000 Euro spendieren. Warum nicht gleich Butler und Chauffeur, bezahlt von der Mittelschicht, die für sich und ihre Kinder noch selbst aufkommt? Robert Habeck, der künftige grüne Vize-Kanzler, scheut sich nicht, diese Gesellschaftspolitik als „Blutskern“ der Ampel zu bezeichnen. Und die FDP ist bei dieser Umerziehung freudig dabei. Ob sie bei den Verhandlungen schon mal die Wirkung der Cannabis-Freigabe getestet haben?
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Vollends zur Ampel des Grauens gleitet die Berliner Koalition ab. SPD, Grüne und Linkspartei wollen nun doch tatsächlich eine funktionierende Verwaltung schaffen; gerade so, als ob nicht sie, sondern andere die „Zukunftshauptstadt“ ins Dauerchaos gestürzt hätten. Die SED-Erben erobern nun auch noch das Justiz-Ressort, um eine „linke Rechtspolitik“ zu betreiben. Mit „besseren und schöneren Knästen und einer starken Antidiskriminierungspolitik“, wie Parteichefin Katina Schubert ankündigt. Berliner Polizisten vermeiden es besser, Menschen mit Migrationshintergrund überhaupt zu kontrollieren. Denn das gilt an der Spree fortan als „Racing profiling“ und ist strengstens verboten. So kann man die Kriminalitätsquote natürlich auch senken.