Wolfgang Bok
Putin öffnet uns die Augen - hoffentlich!
In der Kolumne „Nüchtern betrachtet“ analysiert Dr. Wolfgang Bok die hilflosen Reaktionen des Westens auf Putins Aggression: Viel Show, wenig Wirkung!
Warum die Bundeswehr blank dasteht
Wie Wehrhaftigkeit in Verruf geriet
Warum wir eine Wehrpflicht brauchen
Wie China mal wieder Profiteur ist
Und warum wir Realpolitik lernen müssen
Von Dr. Wolfgang Bok
Si vis pacem para bellum. Wenn du Frieden willst, bereite den Krieg vor, wusste schon Marcus Tullius Cicero 43 v. Chr. Nur bis in das grün dominierte Deutschland ist diese Erkenntnis nicht vorgedrungen. Hier herrscht der naive Glaube an das Gute: Frieden schaffen mit immer weniger Waffen. Zu besichtigen am jämmerlichen Zustand der Bundeswehr, die nach Eingeständnis von Heeresinspekteur Alfons Mais „blank“ dasteht. Typisch deutsch wird sogleich nach mehr Geld gerufen, anstatt zu analysieren, warum das viele Geld so sinnlos verpulvert wird: Wohin fließen die 50 Milliarden Euro, die der Steuerzahler jährlich in unser Militär pumpt, wenn dieses nicht einmal in der Lage ist, eine Division mit 5000 kampffähigen Soldaten aufzustellen? Zig Zustandsbeschreibungen kamen zu der Erkenntnis, dass unsere Panzer nicht fahren, Flieger nicht fliegen, U-Boote nicht tauchen und Soldaten mangels Munition nicht kämpfen könnten. Doch anstatt die Verteidigungsfähigkeit zu erhöhen, haben im Bentler-Block Nicht-Militärs das Sagen. Andere Länder berufen Experten an die Spitze ihrer Soldaten, wir verschaffen der blanken Unfähigkeit Austragspöstchen: Von der Leyen, Kramp-Karrenbauer, Lambrecht.
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Peter Struck war der letzte Sozialdemokrat, der der Bundeswehr noch Respekt verschaffte. Seither werden in der SPD alle weggemobbt, die das Wort „Wehrhaftigkeit“ überhaupt in den Mund nehmen. Eine linke Militärkritikerin wird Wehrbeauftragte. Ginge es nach Fraktionschef Rolf Mützenich und den Grünen, wären in Deutschland nicht einmal mehr (amerikanische) Atomwaffen stationiert, die so etwas wie die letzte Rückversicherung sind, falls Putin sein „Groß-Russland“ gleich bis an den Rhein ausdehnen will. Wir könnten uns nicht einmal gegen einen Angriff der Dänen erwehren. Die Grünen samt ihrer friedensbewegten Vorfeldtruppen (von Kirchen bis zu den allgegenwärtigen Öko-Lobbyisten) würden die Bundeswehr am liebsten auf Lastenfahrräder und Pfeil & Bogen umrüsten. Pulverdampf macht zu viel Feinstaub!
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Doch das Versagen hat schon mit Angela Merkel begonnen, die wiederum populistisch Volkes Stimmung umgesetzt hat: Mit der Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht, stümperhaft vollzogen von einem Blender wie zu Guttenberg, hat sich die Gesellschaft insgesamt von ihrem Militär entfernt. Wieviele der an die 2000 Abgeordneten in Bund und Ländern haben eine Kaserne je von innen gesehen oder gar gedient? Und wieviele verweisen dagegen stolz auf ihre Demo-Erfahrung in der Friedens- oder Anti-Atomkraftbewegung? Der Ukraine ist nicht geholfen, wenn friedens- und wohlstandsverwöhnte Deutsche ihr Facebook-Profil mit einer gelb-blaue Flagge verzieren und anstrengungslos ihre Solidarität bekunden. Man verschone uns also vor dieser selbstgerechten Attitüde! Wer es ernst meint, möge nach Kiew fahren und sich den russischen Soldaten tapfer entgegenstellen. Mutige vor!
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Ebenso naiv ist der Glaube, Putin ließe sich mit Sanktionen in die Knie zwingen. Wie jeder Diktator lässt der Kreml-Chef vorher sein eigenes Volk verhungern, bevor er von seiner „Heim-ins-Reich“-Ideologie abweicht. Hier sieht sich der gelernte KGB-Spion ganz in der Tradition der Zaren und von Josef Stalin, der allein zig Millionen verhungerte Ukrainer auf dem Gewissen hat. Es gibt für Moskau, das weitsichtig über 630 Milliarden Euro Reserven angelegt hat, genug Alternativen. Finanzgeschäfte werden dann eben noch ausgeprägter von der Schweiz aus organisiert, die sich mal wieder fein heraushält und auf ihren Neutralitätsstatus verweist. Technologie liefern die Chinesen bereitwillig - und lassen sich dies mit Gas, Öl und anderen wichtigen Rohstoffen bezahlen. So treibt das hilflose Sanktionsgetöse Russland nur noch stärker in Pekings Arme, das mit Putin einen willfährigen Machtzwerg gefunden hat, um Europa zu schwächen und die USA zu binden. Die chinesische Führung ist nicht einmal bereit, den klar völkerrechtswidrigen Überfall auf die Ukraine als solchen zu verurteilen. Ebenso wenig Indien, das sich gerne als „größte Demokratie der Welt“ bezeichnet. Das ist die geopolitische Lage.
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Wäre die Lage für die Menschen in der Ukraine nicht so bitter, müsste man Putin sogar dankbar ein: Er führt uns die eigene Naivität brutal vor Augen. Vorausgesetzt, Deutschland öffnet sie überhaupt und hat noch einen Blick für die Wirklichkeit. Angefangen bei einer „Energiewende“, die uns geradewegs in die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl getrieben hat. Doch anstatt die CO2-freie Kernenergie zu reaktivieren, will unser Klima-Minister Habeck mehr von eben jenem Fracking-Gas aus den USA importieren, das zu fördern bei uns verboten ist, weil es ja angeblich der Umwelt schadet. Aber unsere Außenministerin glaubt ja auch, dass sich Strom in Form von grünen Kügelchen in den Leitungen speichern ließe. Der CSU-Europapolitiker Weber ruft nach einem Ende des SWIFT-Abkommens, womit wir uns der Zahlungsmöglichkeit für russisches Gas berauben und damit in der Kälte sitzen würden.
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„Wieviele Divisionen hat der Papst?“, soll Stalin einst gefragt haben, um darauf zu verweisen, dass letztlich militärische Macht entscheidet. Und nicht die „Macht der Demokratie“, wie Annalena Baerbock glaubt, die ja auch eine „feministische Außenpolitik“ verfolgt - und damit bei Autokraten wie Putin, Erdogan & Co. mächtig Eindruck macht. Baerbock repräsentiert ein Volk, das nur zu gerne Schweden den Rang als „Großmacht der Humanität“ ablaufen möchte. Nur: In Schweden hat man den Ernst der Lage mittlerweile begriffen. Dort hat man den Atom-Ausstiegs-Beschluss revidiert und militärisch aufgerüstet. Wohl wissend, dass letztlich jedes Land auf sich allein gestellt ist. Muss Deutschland diese bittere Lektion in Realpolitik erst noch lernen, bevor es sich - ökonomisch wie energie- und sicherheitspolitisch - selbst ruiniert? Die Wähler haben es in der Hand. Mehr denn je gilt: Sicherheit ist nicht alles. Aber ohne Sicherheit ist alles nichts.