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  • AutorenbildWolfgang Bok

Merz´ Hypothek, Russlands Stärke und Berliner Geisterfahrer

In der Kolumne „Nüchtern betrachtet“ blickt Dr. Wolfgang Bok auf die Chancen und Risiken der CDU unter Friedrich Merz, die berechtigten Interessen von Russland; und die Naivität, die nun im Innenministerium regiert:

  • Merz braucht Mut zu klarem Profil

  • FDP vom grünen Mainstream infiziert

  • Sägen am eigenen Energie-Ast

  • Wer will für die Ukraine kämpfen?

  • Nach mehr Flüchtlinge nach Deutschland

Von Dr. Wolfgang Bok

Vorsorglich hängen die Kritiker von Friedrich Merz dem neuen CDU-Vorsitzenden schon mal schwere Hypotheken um den Hals. Die drohenden Wahlniederlagen im Saarland (27. März), Schleswig-Holstein (8. Mai) und dann in NRW (15. Mai) sollen ihm angelastet werden und als „Beweis“ dienen, dass eine angebliche Kursverschiebung nach rechts den politischen Niedergang nur beschleunigt. Dabei stellen sich in Kiel mit Daniel Günther, in Saarbrücken mit Tobias Hanns und in Düsseldorf (eingeschränkt) mit Hendrik Wüst doch drei stramme Merkelianer zur Wahl. Wenn die CDU also auch noch diese Länder und damit die Blockademehrheit im Bundesrat verliert, dann ist dies der ehemaligen Kanzlerin und deren Koordinatenverschiebung zur öko-sozialen Beliebigkeit zuzuschreiben. Zur Wahrheit gehört allerdings, dass diese Verschiebung von einer Mehrheit in der Partei goutiert wurde, solange sich damit Macht und Pöstchen sichern ließen. Und die Konservativen haben das Schleifen ihrer klassischen Werte nahezu ergeben hingenommen. Merz wird lange brauchen, um der CDU wieder Glaubwürdigkeit einzuhauchen.

Zu Hilfe kommt ihm dabei die FDP, die sich vor allem gesellschaftspolitisch dem grünen Mainstream unterworfen hat und sich mit jedem Tag mehr von ihren marktliberalen Grundsätzen verabschiedet. Als Stimme der Vernunft, die das Rechnen nicht ganz verlernt hat, ist Merz der beste Oppositionsführer. Dass Angela Merkel das Angebot abgelehnt hat, Ehrenvorsitzende zu werden, ist daher nur konsequente. Sie hat mit der Union, der sie sich ohnehin nur „verbunden“ fühlte, stets gefremdelt. Mich würde nicht wundern, wenn sie sich am Ende auch den den Mitgliedsbeitrag spart und der Partei, in die sie in der Wendezeit eher durch Zufall geraten ist, ganz den Rücken kehrt.

Wenn Merz nicht vom Virus der Gefallsucht befallen wird, hat er als nüchterner Pragmatiker die Chance, ein Unikat im Meer der moralischen Überheblichkeit zu sein. Nichts braucht Deutschland derzeit mehr, als einen neuen Realismus: In der Energiepolitik, die bislang einzig die Preise nach oben und die Deindustriealisierung vorantreibt (mit Unterstützung der FDP!); in der Sozialpolitik, die immer noch neue Wohltaten verspricht und Schulden anhäuft (mit Unterstützung der FDP!); und in der Außenpolitik, die schon glaubt, mit dem erhobenen Zeigefinger ließen sich autoritäre Regime zur Ordnung rufen. Wir beziehen 42 Prozent unseres Rohöls und 55,2 Prozent unseres Erdgases aus Russland - und drohen tatsächlich damit, Nordstream 2 zu kappen? Das ist, als ob man selbst den Ast absägt, auf dem man sitzt. Zudem: Die Gasversorgung aus Russland ist allemal sicherer als über die Ukraine oder Polen. Dort werden die Pipelines als politisches Druckmittel eingesetzt. Und die USA wollen ohnehin nur ihr teures Frackinggas verkaufen. Dass Robert Habeck, der sich nur noch als Klimaminister versteht (einen Wirtschaftsminister braucht die Industrienation a. D. offenbar nicht mehr!), diese einst als ökologisch schädlich bekämpfte Energiegewinnung nun zur Alternative verklärt, zeigt eben, dass der smarte Kinderbuchautor tatsächlich eher „vom, Schweine-, Rinder- und Hühner-Melken“ kommt, wie Annalena Baerbock einst spöttisch anmerkte.

Ohnehin sind die Forderungen von Putin so abwegig nicht: Wollen wir wirklich die Ukraine in der NATO haben und uns damit ein weiteres Dauer-Spannungsfeld mit unsicheren Kantonisten an der Spitze aufladen? Und was soll eine Ausdehnung der Nato nach Osten bringen? Nein, diese Zusagen kann man Moskau ruhig machen. Wer vorgibt, Deutschland würde im Falle einer russischen Invasion die ehemalige Sowjet-Republik verteidigen, der möge seine eigenen Kinder in den Kampf schicken oder selbst zur Waffe greifen. Grüne und Linke sind ja bekanntlich stark in der Bundeswehr engagiert.

Obwohl in Corona-Zeiten die Grenzen doch angeblich kontrolliert und reglementiert sind, wurden im vergangenen Jahr insgesamt 148 233 neue Asylanträge registriert. Damit nimmt Deutschland soviele Flüchtlingen auf, wie die restlichen 26 EU-Länder zusammen. Dennoch erklärt Nancy Faeser, die zu ihrer eigenen Überraschung von der hessischen Provinzbühne zur Bundesinnenministerin aufgestiegen ist, dass Deutschland weiter „Vorbild“ sein müsse. Die SPD-Frau will nun eine „Koalition der Willigen“ schmieden. Man kann sich leicht ausmalen, wie diese aussieht: Deutschland 600 000, Luxemburg 6. Der Rest applaudiert und denkt sich: Uns ist keine Last zu groß, welche die naiven Deutschen für uns tragen. Die SPD-Politikerin sollte ihre nächste Auslandsreise nach Dänemark unternehmen. Dort schließt eine sozialdemokratische Ministerpräsidentin rigoros die Grenzen und schickt sogar Syrer in ihre Heimat zurück. Wie in der Energiepolitik sind wir auch in der Migrationspolitik die Geisterfahrer in Europa - und nicht die anderen.


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