Wolfgang Bok
Staatsgeld für alle, Gratiswelt als Illusion, Merz´ Wahrheit und Söders Chance
In der Kolumne „Nüchtern betrachtet“ geht Dr. Wolfgang Bok auf die Kollateralschäden der Corona-Pandemie ein:
Warum Mundschutz nicht kostenlos ist
Wie Geld und Arbeit entwertet werden
Warum Sparen beim Staat verpönt ist
Weshalb Friedrich Merz mit der Wahrheit aneckt
Wie sich CSU-Chef Söder ins Kanzleramt kuschelt
Von Dr. Wolfgang Bok
Was nichts kostet ist nichts wert? Von wegen! In Corona-Nothilfe-Zeiten bilden die Menschen verbotene Massenaufläufe vor Apotheken. Schließlich werden dort kostenlos FFP2-Masken ausgegeben. Aber nein! Sie kosten natürlich. Oder wie der Brite sagt: There is no free lunch! Indirekt zahlen die Steuerzahler und Kassenmitglieder, die bald schon noch höhere Beiträge berappen müssen. Schon jetzt summieren sich die 13 Gesetze und Vorlagen, die Gesundheitsminister Spahn (CDU) auf den Weg gebracht hat, bis 2022 auf Mehrausgaben von 33 Milliarden Euro. Ohne Corona.
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Aber so rechnen wir nicht. Es gibt was umsonst, also greift man zu, egal ob man Bedarf hat, den man eigentlich gut selbst finanzieren könnte. Aus den Fehlern zu Beginn der Corona-Pandemie haben die Regierenden offenbar nichts gelernt. Damals genügte ein Antrag via Internet - und schon wurden fünfstellige Summen überwiesen. Sogar auf dubiose Konten ins Ausland. Jetzt langen auch wieder diejenigen großzügig zu, die sich stets gerne schadlos halten. Schon werden die Masken im Internet angeboten. Und die Kanzlerin will sie sogar noch per Post zustellen lassen, was die Kontrolle erschwert und zusätzliche Kosten verursacht. Von der Bürokratie ganz zu schwiegen. Mal ehrlich: Den Rentner möchte ich sehen, der für drei FFP2-Masken nicht wenigsten pauschal zehn Euro bezahlen kann. Sie haben ja sonst keine Möglichkeit, ihr Geld auszugeben. Die Gastronomie ist geschlossen und Reisen nicht kaum mehr möglich.
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Nun höre ich schon wieder die Einwände, wonach man doch nicht kleinlich rechnen sollte, um eine große Gefahr zu bannen. Das sagen mir selbst Leute, die zehn Kilometer Umweg fahren, um ein paar Cent pro Liter beim Tanken zu sparen. Aber abgesehen davon, dass sich auch Euro-Beträge zu Milliarden summieren, wenn die Masse entsprechend groß ist. Es geht um Grundsätzliches: Wir beginnen, uns an das Staatsgeld zu gewöhnen. Charles de Gaulle, der große Franzose, brachte die Unsitte schon früh auf den Punkt: Das Rad, das am lautesten quietscht, kriegt am meisten Öl. Eine Nothilfe folgt der nächsten. Minister und Ministerpräsidenten ringen um die Spendierhosen-Trophäe. Hier ein Zuschlag, dort ein Ausgleichsgeld. Selbst das Homeoffice wird mit fünf Euro pro Tag honoriert, obwohl die Leute doch Wegezeit- und Geld sparen. Fehlt eigentlich nur noch der Sonder-Rabatt aufs Toilettenpapier. Aber vielleicht wird ja auch das bald kostenlos abgeben, wenn nach dem zweiten Lockdown der dritte folgt, weil wir lieber das halbe Land lahmlegen, anstatt - wie in Südkorea - effiziente Corona-Apps einzusetzen und rasch pragmatische Regeln durchsetzen. Schon klar: Dem Staat, von dem wir jede Hilfe erwarten, misstrauen wir. Den Digitalkraken Google, Facebook & Co. geben wir unsere (Bewegungs-)Profile hingegen gerne preis.
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So schafft der Staat eine Art Gratiswelt, welche die Verdienstausfallsentschädigung zur Regel erhebt. Das bedingungslosen Grundeinkommen, an dem interessierte Kreise ihr soziales Gewissen wärmen, kommt damit einen gewichtigen Schritt näher. Finanziert über Schulden, die sich irgendwie in Luft auflösen sollen. Oder, was naheliegender ist, von den „starken Schultern“ abgetragen werden müssen. Das hat nur einen Haken: Wer soll die Paketberge bis spät in die Nacht austragen, wenn es fürs Faulenzen netto kaum weniger gibt? Wer soll noch die Lager füllen oder sich im Verkauf dumm anreden lassen, wenn Arbeit per Staatsknete entwertet wird? In Finnland, wo man mit dem Grundeinkommen einen Großversuch unternommen hatte, ist man auch deshalb von dieser Idee wieder abgerückt.
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Aber soviel Pragmatismus wird in Deutschland bereits der sozialen Kälte bezichtigt. Die Januar-Ausgabe von Finanztest ist ein Beispiel, wie sich Politik zunehmend als Füllhorn versteht. Seitenweise wird über „Verbesserungen“ berichtet: Mehr Kindergeld, neue Grundrente, höhere Wohnbauprämie und mehr Baukindergeld, mehr Hartz IV, Finanzhilfen für Studierende, weniger Soli etc. Von Sparen ist keine Rede mehr. Selbst die Kommunen, die stets mehr Geld von Land und Bund einfordern, entdecken ständig neue Bedürftige, die mit Zuschüssen versorgt werden müssen. Man achte auf die aktuellen Etatberatungen in den eigenen Gemeinderäten. Wie sagte mir kürzlich ein Landrat: Früher wurde um Tausender gerungen, heute ist die Million die kleinste Maßeinheit. Denn wer spart verliert - an Zustimmung. Mehrausgaben müssen nur richtig etikettiert werden. „Für Klimaschutz“ und „Soziales“ gehen immer. Notfalls wird neues Personal eingestellt, um dies zu begründen. Neu im Angebot sind Milieuschutz-Kontrolleure, die verhindern, dass heruntergekommene Stadtviertel modernisiert werden. So schafft man Pöstchen für das grün-rote Klientel. Und umhegt zugleich das eigene Wählermilieu.
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Derweil wächst die Angst in der Union, die drei Kandidaten könnten sich doch noch einen Schlagabtausch liefern. Was wäre daran schlimm? Sollen nicht die besseren Argumente und Strategien den künftigen CDU-Vorsitzenden auszeichnen? Aber Debatte wird bei uns gerne mit Streit gleichgesetzt. Dabei bedeutet Harmonie nichts anderes, als Konflikte unter den Teppich zu kehren. Doch kaum verweist Friedrich Merz darauf, dass wir ohne Merkels Grenzöffnung ab 2015 ff. „eine Million Hartz-4-Empfänger weniger hätten“, schon hagelt es Kritik. Dabei stimmt die Größenordnung. Nur darf sie nicht offen ausgesprochen werden. Stattdessen schließen sich mehrere CDU-Abgeordnete der linken Initiative an, zu Weihnachten weitere Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen. Meine Haltung dazu: Wir beherbergen heute schon mehr Migranten als alle anderen 27 EU-Staaten zusammen. Jetzt sind erst Mal andere dran. Doch dort hört man von derlei Initiativen nichts.
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Früher hätte es dazu heftigen Widerspruch aus Bayern gegeben. Doch seitdem Markus Söder unbedingt Kanzler werden will und mit den Grünen kuschelt, hat sich die CSU vom mutigen Löwen in ein zahmes Kätzchen verwandelt. Der bayerische Ministerpräsident versteht sich als oberster Viren-Bändiger, der über den parteipolitischen Wassern schwebt. Notfalls gibt er auch den Seenotretter.