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  • AutorenbildWolfgang Bok

Der neue Kolonialismus und seine Widersprüche: Unser Absurdistan

In der Kolumne „Nüchtern betrachtet“ blickt Dr. Wolfgang Bok auf Afghanistan:

  • Warum lernt der Westen aus dem Scheitern nichts?

  • Weshalb es keinen guten Kolonialismus gibt

  • Warum der aufgezwungene Feminismus zu Volkszorn führt

  • Warum wir die Flüchtlinge nicht idealisieren sollten

  • Und warum wir den Chinesen viel Freude am Hindukusch wünschen


Von Dr. Wolfgang Bok


Welch ein Widerspruch! Einerseits suchen vornehmlich Linke nach Spurenelementen von Kolonialismus, um den „alten weißen Mann“ anzuklagen und ihren Kampf gegen „den Kapitalismus“ (von dem sie im übrigen gut leben) zu munitionieren. Doch es sind meist dieselben Leute, die einem islamischen Land wie Afghanistan westliche Werte überstülpen wollen. Notfalls mit Gewalt. Ist das nicht auch Kolonialismus? Doch anstatt von den negativen Erfahrungen zu lernen, werden nun schon wieder Hilfsprogramme aufgelegt, um die „humanitäre Katastrophe“ am Hindukusch zu verhindern. Dabei ist die Situation doch eindeutig: Jetzt sollen die Islam-Krieger zeigen, was sie können. Die Nöte und Mängel in Afghanistan sind nun von ihnen zu lösen - und zwar ohne Gelder aus dem christlich geprägten Abendland, das man ansonsten verachtet. Es kann doch nicht angehen, dass wir einerseits Mädchenschulen finanzieren - und zugleich die Taliban, die diese abschaffen oder drangsalieren.

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Noch vor zwei Wochen versicherte der deutsch Noch-Außenminister, dass an die Taliban keine weitere Entwicklungshilfe geleistet werde. Nun bereiste Heiko Maas die Anrainerstaaten, um mit dem großen Geldsack Kooperation zu erkaufen. Pakistan, das sich mehr oder weniger als Schutzmacht der Taliban gerierte und deren Terroristen Unterschlupf gewährte, lässt sich nun für die Beherbergung derer, die vor diesen „Gotteskriegern“ flüchten, vom Westen finanzieren. Und natürlich müsse man auch den Kontakt zu den Taliban suchen, deren Mäßigung man mit viel Geld zu erkaufen versucht. Die verstehen die Botschaft als Anbiederung - und fordern von Deutschland auch noch frech finanzielle Hilfe. Haben wir in dieser Region nicht schon genug Milliarden an Steuergeldern versenkt?

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Im Juni war noch von rund 1000 Ortskräften die Rede, für die Deutschland eine Fürsorgepflicht habe. Daraus sind mittlerweile 40 000 geworden, für die Kanzlerin Merkel bereits wieder die Arme ausbreitet. Der von Medien befeuerte humanitäre Überschwang führte sogar dazu, dass die Luftbrücke vor allem von bereits abgeschobenen Straftätern genutzt wurde. Wieder einmal wurden die Warnungen von Kenner der Lage vor Ort ignoriert, die früh vor dieser neuerlichen, naiven Willkommenspolitik gewarnt haben. Die NZZ lässt drei ehemalige Bundeswehr-Soldaten zu Wort kommen. Ihre einhellige Erkenntnis: Viele davon, die sich für Hilfsdienste (etwa in den Küchen) vom Westen für dortige Verhältnisse haben fürstlich bezahlen lassen, sind weder gefährdet noch hierzulande integrierbar. Meist sind andere Familienmitglieder bei den Taliban oder Drogenbaronen aktiv. Sie sichern sich so gegenseitig ab. Ihre Loyalität gilt einzig der eigenen Familie oder dem Clan, der in dieser multiethnischen Region der einzig verlässliche Bezugspunkt ist.

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Zur deutschen Naivität gehört auch der Glaube, dass alle, die in den Westen flüchten, ehrbare Widerstandskämpfer sind, die sich einzig nach Demokratie und Gleichberechtigung sehnen. Wir wollen nicht wahrhaben, dass diese Menschen dorthin gehen, wo am meisten zu holen ist. Nur bei uns gibt es eine Wohnung, Essen, medizinische Versorgung umsonst? Sogar Taschengeld und politische Teilhabe, die nach dem Willen der Grünen auch das Wahlrecht sowie alle sozialen Ansprüche beinhalten soll, sind im Angebot. Deshalb beantragen die auf deutschen US-Stützpunkten "zwischenstationierten" Afghanen lieber in Deutschland Asyl, als sich in den USA niederzuzlassen. Denn nur Deutschland ist für alle attraktiv, die mit leeren Händen kommen - und vertreibt zugleich die Leistungsträger, denen man mittlerweile die höchsten Steuer- und Abgabesätzen abverlangt. In politischen Reden wird die Offenheit für Fachkräfte gefordert - und in der Realität das Gegenteil bewirkt. Weder Blue- noch Greencard hatten den erwünschten Erfolg. So absurd ist das deutsche Sozialsystem. Hier liegt Absurdistan, nicht am Hindukusch!

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Noch ein anderer Widerspruch fällt auf: Während wir in Afghanistan und anderen islamischen Ländern die Frauen von der Burka befreien wollen, wird diese wiederum von der politischen Linken verteidigt, sobald diese Frauen in Europa sind und auf eben diese Ganzkörperbedeckung nicht verzichten oder dürfen. Wer dies als Ausdruck des politischen Islamismus kritisiert, wird der Islamophobie oder des Rassismus‘ bezichtigt. Hier stimme ich dem ZDF zu, das bei seiner Genderisierung der Nachrichten von Islamist_innen und Taliban_innen berichtete: Es gibt sie in islamischen Ländern zuhauf. Aber bei uns kommen vornehmlich diejenigen zu Wort, dies sich unterdrückt fühlen. Dabei lehrt die Geschichte doch das Gegenteil. „Im harten Gegensatz zur Lebenswirklichkeit außerhalb von Kabul erklärten die Kommunisten im Oktober 1978 die gesetzliche Gleichstellung von Mann und Frau…Der Widerstand gegen den Versuch gesellschaftlicher Modernisierung, den nicht nur die Männer als Entehrung verstanden, erfasste immer breitere Bevölkerungsschichten…und führte zu einem breiten Volkszorn“, der zur Niederlage der Sowjetischen Großmacht am Hindukusch führte, wie der SZ-Journalist Stefan Kornelius bereits 2009 in seinem Buch „Der unerklärte Krieg. Deutschlands Selbstbetrug in Afghanistan“ beschrieb. Der britische Historiker und Militärexperte Martin van Creveld erkennt dasselbe Muster jetzt: Die vom Westen aufgezwungene Frauenförderung bis hin zur gendergerechten Sprache, wofür Deutschland allein zwei Millionen Euro investiert hat, wurde von den Afghanen als übergriffig angesehen: „Indem die USA und ihre Verbündeten versuchten, dem Land den westlichen Feminismus aufzuzwingen, sorgten sie dafür, dass sich ein Großteil der einheimischen Bevölkerung, sowohl der männlichen als auch - oft genug - der weiblichen mit Händen und Füßen wehren würden. Und genau das taten sie, vor allem auf dem Lande.“ Wir wurden zunehmend nicht mehr als Befreier, sondern als (kulturell) Unterdrücker gesehen. Das erklärt auch die widerstandslose Machtergreifung der Taliban. Ohne Rückhalt der Bevölkerung wäre sie so schnell nicht möglich gewesen. Auch darüber sind sich die Kenner vor Ort einig.

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Für Russen und Chinesen, die sich nun als wahre Sieger über den Westen fühlen und nicht nur die reichen Bodenschätze dort im Auge haben, hat der Brite Creveld einen verifteten Glückwunsch parat: „Die afghanische Braut, kriegsversehrt und verzweifelt arm wie sie ist, wird derzeit von zwei mächtigen Brautwerbern umworben. Wer immer auch gewinnt, ich wünsche ihm viel Freude an ihr.“ Wir jedenfalls haben dort nichts mehr verloren. Dass die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) ihre vom Steuerzahler finanzierten Mitarbeiter mit doppeltem Lohnangebot zum Bleiben ermuntert, und auch andere Hilfsorganisationen bleiben wollen, zeigt zweierlei: Erstens kann die Lage nicht so gefährlich sein, dass wir nun Zigtausende von Afghanistan aufnehmen müssen. Und zweitens: Das deutsche Helfersyndrom passt sich auch deshalb der Wirklichkeit nicht an, weil es für Tausende Entwicklungshelfer lukrativer Broterwerb ist. Daher werden im deutschen Wahlkampf die Realitäten (auch medial) ausgeblendet. Denn sie stören bei der moralisch aufgeladenen Debatte, die nicht strategisch sondern vor allem mit sozialen Argumenten geführt wird. Das entspricht dem deutschen Ideal: Gute tun - und nur ja keine Eigeninteressen vertreten. Denn das ist dann wiederum Kolonialismus.

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